Kragenziehen

Verfahrenskombination Kragenziehen im IHU-Prozess

Abb.1: Durch Innenhochdruck-Umformen/Kragenziehen hergestellter Verteilerbalken

Aufgaben und Ziele

Verteilerbalken für den Sanitärbereich werden hauptsächlich mit Hilfe von Strangpressprofilen hergestellt. Dabei ist das Profil so auszulegen, dass zur Verbindung mit den Rohrleitungen ein Innengewinde in das Profil geschnitten werden kann. Deshalb muss die Wand der Leitungen an dieser Stelle dicker sein, sie wird also schwerer und teurer.

Mit Hilfe des neuen Fertigungsverfahrens »Innenhochdruck-Umformen / Kragenziehen(IHU)« lassen sich kostengünstige und leichte Verteilerbalken herstellen. Dabei konzentrierten sich die Untersuchungen am Fraunhofer IWU auf die Herstellung von Blechdurchzügen (Kragen), die ein nachträgliches Gewinde aufnehmen können. Neben dem Kragenziehen in das Bauteil hinein wird auch das Kragenziehen aus dem Bauteil heraus untersucht.

Die Erzeugung von Blechdurchzügen (Kragen) an Rohren und Profilen wird derzeit nahezu ausschließlich mit Stempel und Matrize realisiert. Jedoch stößt das Verfahren bei Halbzeugen mit ungünstigem l/d-Verhältnis sowie gekrümmten Bauteilen – bedingt durch die Positionierung der Matrize im Inneren des Bauteils – an seine Verfahrensgrenzen. Aus diesem Grund wurde am Fraunhofer IWU ein Verfahren entwickelt, bei dem mit Hilfe des Innenhochdruck-Umformens (IHU) Blechdurchzüge ohne Matrize hergestellt werden können. Das neue Fertigungsverfahren IHU-Kragenziehen ermöglicht dabei eine kostengünstige Fertigung an geschlossenen Profilen und Rohren, das auch bei Bauteilen mit ungünstigem l/d-Verhältnis sowie bei gekrümmten Bauteilen Anwendung findet.

Konventionelles Kragenziehen an Blechen und Rohren

Die wohl verbreitetste Verfahrensvariante, die vor allem bei dünnwandigen Blechen zum Einsatz kommt, ist das Kragenziehen mit Vorloch. Dabei wird das Blech zunächst gelocht. Anschließend erfolgt mit einem Formstempel gegen eine Matrize das Aufstellen des Kragens. Der Werkstoff wird dabei in tangentialer Richtung »auf Kosten« der Werkstoffdicke gedehnt. Die radialen Formänderungen sind dagegen gering, so dass die Länge des freien Biegeschenkels in etwa erhalten bleibt.

Abb.2: Kragenziehen an Blechen mit Vorloch

 

Soll bei Rohren und Profilen hingegen das Prinzip des Kragenziehens mit Stempel und Matrize verwendet werden, muss im Inneren des Bauteils eine Matrize positioniert werden. Diese ist nach dem erfolgreichen Ziehen des Kragens wieder zu entfernen.

Das Kragenziehen nach außen gestaltet sich hingegen weitaus aufwendiger, da hierbei meist ein Aktivelement im Inneren des Rohres genau positioniert und mit Hilfe einer eingeleiteten Kraft durch ein bereits vorinitialisiertes Vorloch gedrückt werden muss. Beim Kragenziehen nach außen sind ebenfalls mehrere Fertigungsverfahren einsetzbar, beispielsweise das Gummipressen, das Durchziehen mit Keilen und einer Kugel sowie das T-Drill-Verfahren.

IHU-Kragenziehen

Um einerseits qualitativ hochwertige Kragen zu erzeugen sowie andererseits die aufwendige Positionierung im Inneren der Bauteile zu vermeiden, wurden am Fraunhofer IWU verschiedene Verfahrenskombinationen entwickelt, bei denen mit Hilfe eines hydrostatischen Drucks die Matrize oder der Stempel im Inneren des Bauteils ersetzt wird. Darüber hinaus sind die Verfahren im IHU-Prozess integrierbar – das verkürzt die Prozesskette und somit die Zykluszeit.

Die am besten geeigneten Verfahrensvarianten sind in den Abbildungen dargestellt. Bei Beaufschlagung eines ausreichenden Drucks im Inneren des Bauteils fährt der Stempel (1) – entweder ein kombinierter oder ein geteilter Loch- und Kragenstempel – durch das IHU-Werkzeug in das Bauteil (2) hinein. Dabei wird im ersten Schritt das Vorloch ausgestanzt. Nach dem erfolgreichen Entfernen des Butzen wird in einem nächsten Schritt das Ziehen des Kragens vollzogen. Hierbei fährt der Loch- und Kragenstempel bis zu seiner vordefinierten Endlage. Der Antrieb kann dabei mit einer hydraulischen Achse erfolgen, die bei konventionellen IHU-Anlagen zur Verfügung steht.

Der Nachweis der Machbarkeit wurde an verschiedenen Werkstoffen mit unterschiedlichen Wanddicken untersucht und nachgewiesen. Zum Einsatz kamen ein Baustahl (St35), ein Edelstahl (1.4301), eine Aluminiumlegierung (AlMgSi0,5) sowie eine Messinglegierung (CuZn37) – jeweils mit Wanddicken von 1,5 mm, 2,0 mm und 2,5 mm.

IHU-Kragenziehen mit selbstzentrierender Kugel

Für die Erzeugung von Blechdurchzügen nach außen wurden mehrere Verfahrensvarianten in Betracht gezogen. Als am besten geeignet hat sich dabei das Kragenziehen mit selbstzentrierender Kugel (3) herauskristallisiert. Mit Hilfe eines Lochstempels wird im ersten Verfahrensschritt ein Anschneiden des Vorlochs durchgeführt. Dies ist notwendig, um einerseits einen Schneidgrat im Inneren zu vermeiden und andererseits eine definierte Sollbruchstelle zu erzeugen. Anschließend wird mit Hilfe des Innendrucks der Butzen herausgetrennt, es erfolgt demnach ein Lochen nach außen. Aufgrund der damit entstandenen Leckage und somit des Volumenstroms entsteht ein Sog, der eine Stahlkugel anzieht, die vor dem Kragenziehen im Inneren des Rohres platziert wurde. Diese dichtet das Vorloch ab, unterbindet somit den Volumenstrom und ermöglicht einen erneuten Druckaufbau. Ist der Druck im Inneren des Bauteils hinreichend groß, wird die Kugel durch die Öffnung gedrückt und zieht den Kragen. Mit diesem Verfahren sind hochpräzise Blechdurchzüge an beliebigen Stellen des Bauteils herstellbar.

Ergebnis

Auf Basis der Verfahrensvariante IHUKragenziehen konnten speziell für die Herstellung von Verteilerbalken positive Effekte nachgewiesen werden. Neben der Reduzierung der Halbzeugkosten (Austausch des Strangpressprofils durch gezogenes Rohr) ermöglichte das Verfahren eine Senkung des Bauteilgewichts sowie der Fertigungskosten um ca. 30 %.

Abb.3: Verfahrensprinzip IHU-Kragenziehen